Karl Junker- eine tragische Geschichte

Folgender Text ist in Zusammenarbeit mit meiner Arbeitskollegin und Freundin Christiane Kossack entstanden:

Meine Freundin Christiane fragte mich, ob ich die Geschichte des Junker Hauses kenne und ich sie dorthin begleiten möchte. Ich erwartete zuerst ein langweiliges Museum, irgendwelche Exponate bewundern von einem unbekannten Künstler, weckte nicht gerade mein Interesse.

Das Lebenswerk eines gebeutelten Menschen

Karl Junker, Maler, Bildhauer, Architekt, Lemgo, Lippe, Deutschland, Lebenswerk, tragische Geschichte, Lebensgeschichte
Karl Junker war ein Maler, Bildhauer und Architekt in Lemgo/ Lippe.

Doch Christiane lies sich nicht beirren und begann die faszinierende Lebensgeschichte zu erzählen und als ihre Stimme erklang umwehte, sie ein eisiger Hauch:

 

Im Sommer 1994 war ich zum ersten Mal im Junker Haus. Schon von außen betrachtet, erfasste mich gleich Magie dieses Hauses und zugleich eine bedrückte Stimmung, die beim Eintreten schon fast erdrückend zunahm. Das Haus ist so düster, dass es den Besuchern fast die Luft zum Atmen nimmt. Nachdem ich mich eine Weile umgesehen hatte, fragte ich den alten Herrn, der neben dem Eingang saß, nach einem Detail, ich weiß gar nicht mehr genau, was das war.

Angesprochen, lief der alte Mann zur Hochform auf und erzählte ausschweifend und lebhaft vom Leben des Erbauers:

Karl Junker (geb. 30 August 1850 in Lemgo) war Maler, Bildhauer und Architekt. Er studierte u.a. in Italien und holte sich auf dem Weg viele Anregungen für seine Arbeiten. Er baute in seiner Heimatstadt dieses Haus und verliebte sich in eine junge Frau. Die Verlobung folgte.

Die Eltern der Verlobten wollten jedoch, dass sie vor der Heirat eine Hauswirtschaftsschule besuchte und schickten sie dorthin, fernab von zu Hause.

Von dort wurde sie jedoch verschleppt, angeblich in eine holländische Kolonie. Ihre Spur verlor sich.

Karl Junker, Maler, Bildhauer, Architekt, Lemgo, Lippe, Deutschland, Lebenswerk, tragische Geschichte, Lebensgeschichte

Aus grenzenlosem Schmerz und Liebeskummer fing Karl Junker an, das Haus, das ein Heim für ihn und seine zukünftige Familie werden sollte, mit Malereien und Schnitzereien zu verzieren. Er malte Bilder, die an Wänden und Decken zu bewundern sind. Er überlud das ganze Haus mit Schnitzereien an Möbeln, Wänden, Decken. Jedes Zimmer wurde eingerichtet, als würde es von einer kompletten Familie, mit Eltern und Kindern, bewohnt, inklusive Ehe- und Kinderbetten.

 

Karl Junker lebte jedoch einsam in seinem Haus. Er ging selten raus, und wenn, schlug ihm die Feindseligkeit der Einwohner Lemgos entgegen. Sie bewarfen ihn mit Abfall und spuckten ihn an, beschimpften ihn. Er war sonderbar und unheimlich in ihren Augen. Diese Reaktionen drängten ihn noch weiter in die Isolation und Einsamkeit. Der alte Mann an der Kasse erzählte die Geschichte mit viel Emotion und Herzblut, da seine Mutter Karl Junker jeden Tag ein warmes Essen gebracht hat, und er die Situation als kleines Kind zum Teil so miterleben konnte und seine Erinnerungen durch die Erzählungen seiner Mutter geprägt waren.

Karl Junker, Maler, Bildhauer, Architekt, Lemgo, Lippe, Deutschland, Lebenswerk, tragische Geschichte, Lebensgeschichte
Der bizarre Eingang des Junkern Hauses

2019 im Sommer wollte ich nun meinem inzwischen 15 jährigen Sohn das Junker Haus und die traurige Geschichte um den Erbauer nahe bringen.

Inzwischen gibt es hinter dem Haus ein Museum, wo verschiedene Exponate die früher noch im Haus standen, ausgestellt sind. Natürlich sitzt der alte Mann nicht mehr an der Kasse. Auf diesen und seine mit Herzblut erzählte Geschichte über Karl Junker angesprochen, die ich genauso meinen Sohn weitergegeben hatte, lachte die Frau, die nun das Eintrittsgeld kassierte. Der Mythos ist schon lange als eben solcher aufgeklärt:

Die Verlobte hat es nie gegeben. Der Künstler, der ein Lebenswerk geschaffen hat, war Opfer seiner Erkrankung: der Schizophrenie. Er starb einsam am 25. Januar 1912 an einer Lungenentzündung.

 

Ich hätte allerdings gern weiter an die tragische Erzählung einer unerfüllten Liebe geglaubt. 

Genie und Wahnsinn

Karl Junker, Maler, Bildhauer, Architekt, Lemgo, Lippe, Deutschland, Lebenswerk, tragische Geschichte, Lebensgeschichte

Diese Leidensgeschichte – Genie und Wahnsinn vor hundert Jahren, hat mich so gefesselt, dass ich der Verabredung zustimmte und wir zusammen zum Junker Haus gefahren sind. Der Eintritt kostete 3,00€ pro Person. Im Museum (Anbau des Junker Hauses) sind einige Bilder und Exponate ausgestellt. Die Biographie des Karl Junkers kannst du über einen ca. 5 Minütigen Film erfahren.

Das Haus selbst war für mich sehr beeindruckend und skurril. Fetzen von den Erzählungen von Christiane spukten mir im Kopf herum. Gedanklich bin ich in der Zeit zurück gereist und habe mir vorgestellt, welches Gefühl er beim Schnitzen verspürt haben musste. Dieser Künstler hat über 20 Jahre damit verbracht, dieses Haus mit Schnitzereien zu versehen und hat es definitiv auf die Spitze getrieben. Zeitweilig kroch in mir die Gänsehaut von meinen Fußzehen bis hin zur Kopfhaut hoch.

Ich beneide Christiane, bei ihrem ersten Besuch gab es noch keine Absperrungen und der Dachgeschossboden konnte auch noch besichtigt werden. Ein Blick im Treppenhaus nach oben lies noch einiges erahnen und weckte mein Interesse.

Ich hätte gern noch mehr Zeit zum Bestaunen und Beobachten gehabt, mich einfach nur in einen Raum gesetzt und die Schwingungen wahrgenommen, das ist für einige vielleicht zu spirituell aber die Vergangenheit war deutlich spürbar. Ich könnte keine Nacht dort verbringen, du etwa? Auf Grund der Corona Maßnahmen war die Zeit jedoch begrenzt, was ich sehr gut verstehen kann, schließlich möchte jede Besuchergruppe einen angemessenen Zeitraum in diesem Haus verbringen.

 

Es ist ein außergewöhnliches künstlerisches Lebenswerk, auf jeden Fall solltest du vorbei schauen wenn du in der Nähe bist, aus meiner Sicht ist es sehr sehenswert.

 

Kanntest du die Geschichte von Karl Junker oder warst du selbst schon einmal dort? Wie ist dein Eindruck von dem Haus? Hinterlasse uns gerne einen Kommentar, wir freuen uns!

Immer mit dabei:

Mein Tagesrucksack: Jack Wolfskin Velocity 12*

Mein Trinkflasche: Nalgene 1 Liter Trinkflasche*

Mit diesem Stift bearbeite ich meine Bilder und Videos auf dem Handy: iFoxtEK Eingabestift*

Hier kommst du zum nächsten Bericht: Wandertrip zu den Hohensteinklippen.

Kommentar schreiben

Kommentare: 7
  • #1

    Johanna (Montag, 26 Oktober 2020 13:15)

    Krasse Geschichte, kannte ich bis jetzt noch gar nicht. Der Tipp kommt direkt auf meine Liste. Liebe Grüße Jojo

  • #2

    Gina | 2 on the go (Freitag, 11 Juni 2021 10:40)

    Das ist ja eine Gänsehaut-Geschichte! Aber es ist ja oft so, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen sich sehr gut über Kunst ausdrücken können. Auch wenn es oft sehr düstere Kunst ist.

    Liebe Grüße Gina und Marcus

  • #3

    DieReiseEule (Freitag, 11 Juni 2021 13:47)

    Wow, was eine Geschichte. Egal, ob sie wahr ist oder nicht, mich hat sie gefangen genommen.
    Das der Künstler und Schizophrienie litt, ist traurig. Die Menschen wissen oft selbst nicht, dass verschiedene Seelen in ihnen wohnen und sich irgendwie nie treffen. Manche wissen es auch und können es nicht kontrollieren. Sehr spooky.

    Liebe Grüße und Danke für diesen Beitrag
    Liane

  • #4

    Zwei auf Achse (Sonntag, 13 Juni 2021 13:02)

    Liebe Johanna, vielen Dank für deine Rückmeldung.

    Liebe Gina, ja da stimme ich dir zu, es gab richtige Gänsehaut-Momente.

    DieReiseEule, in der damaligen Zeit waren die Menschen diesbezüglich auch noch nicht so aufgeklärt.

  • #5

    Miriam von Nordkap nach Südkap (Montag, 14 Juni 2021 19:44)

    Liebe Julia,
    Ich glaube, ich hätte auch lieber an die Geschichte mit der unerfüllten Liebe geglaubt als an die Sache mit der Schizophrenie - das klingt einfach so romantisch. Das Haus sieht großartig aus, das war mir überhaupt kein Begriff. Dabei war ich sogar schon öfter mal in Lemgo. Beim nächsten Mal sollte ich das Haus besuchen, das sieht wirklich traumhaft aus - wie aus einem Märchen.
    Liebe Grüße von Miriam von Nordkap nach Südkap

  • #6

    Egal (Freitag, 18 November 2022 19:53)

    Es ist jetzt knapp 40 Jahre her, dass mich ein guter Freund (er studierte zu der Zeit in Lemgo) in meinen jungen Jahren durch einen anhaltenden Liebeskummer begleitete. Irgendwann war er mein Gejammer wohl leid und setzte mich ins Auto mit dem Spruch: „Ich zeige dir jetzt, wo es hinführt, wenn Du nicht loslässt. - Die Fahrt ging zum Junkern Haus. Er hatte sich den Schlüssel besorgt (ich weiß bis heute nicht wie und kann ihn leider nicht mehr fragen) und erzähle mir beim Durchwandern und Schauen die Geschichte, die Euch auch von dem alten Mann erzählt wurde, aber mit einigen Details mehr: Bevor die Verlobte zwecks Ausbildung in Sachen Hauswirtschaft nach Holland verschifft wurde (damals durchaus üblich bei höheren Töchtern, bevor sie „gut“ verheiratet werden konnten) hatte Karl ihr versprochen, dass sie bei ihrer Rückkehr ein fix und fertiges Haus mit allem, was sie sich wünscht, vorfinden werde und ging ans Werk ein ganz besonderes Haus zu bauen. - Die Zeit verging, die Verlobte kehrte nie zurück, ihr Schicksal blieb ungewiss - und so blieb nur die Vermutung der „Verschleppung“ in die damals holländischen Kolonien (auch Verschleppungen von weißen Frauen in die Kolonien entspricht der Geschichtsschreibung). - Und da Karl nicht wußte, ob seine Geliebte nicht doch wiederkehrt, hat er einfach immer weiter gebaut, optimiert und ist dabei in den hoffnungsbeladenen Wahn verfallen, das Haus sei noch nicht fertig, deshalb kommt sie nicht wieder. Darüber ist er verrückt geworden, ist einsam gestorben und hat der Nachwelt dieses denkwürdige Haus hinterlassen. -
    Und das Junkern Haus in der spätsommerlichen Abendstimmung vor vielen Jahren, allein mit meinem Freund, der diese Geschichte erzählte, hatte nochmal eine besondere Qualität, ohne Eintritt, Schilder, etc. - Spätestens bei der komplett verzierten Kinderwiege angekommen, hatte ich dieses „Mahnmal“ verstanden. - Bei mir hat es geholfen - und es führt beide Geschichten irgendwie zusammen … es bleibt ein Mysterium - in dieser Version/Interpretation vielleicht auch therapeutisch hilfreich für alles, was „too much“ ist. Super visualisiert.

  • #7

    Zwei auf Achse (Dienstag, 13 Dezember 2022 22:09)

    Liebe:r egal, danke das du deine Geschichte mit uns geteilt hast. Auf jeden Fall noch einmal eine ganz andere und interessante Perspektive. Dein Freund hat alles richtig gemacht, würde ich sagen. Das Haus ohne Museumseinrichtung zu sehen hat bestimmt noch einmal eine viel heftigere Wirkung, ich fand es so schon „gruselig“.